Das Österreichische Bundesheer leistete als UNAFHIR (United Nations Austrian Field Hospital IRAN) einen humanitären Beitrag zugunsten kurdischer Flüchtlinge. Diese waren vom Diktator SADAM HUSSEIN mit Giftgas angegriffen worden und hatten sich im Spätwinter zu zehntausenden aus dem Nord-Irak über schneebedeckte Berge auf den Weg gemacht Richtung Osten, wo sie von den iranischen Behörden in einem großen und mehreren kleineren Zeltlagern aufgefangen wurden.

VORBEREITUNGEN

Die Planungsphase begann am 17. April 1991. In Zusammenarbeit von zivilen und militärischen Stellen wurde kurzfristig das Material bereitgestellt sowie medizinisches und technisches Fachpersonal rekrutiert. Ebenfalls unter Zeitdruck erfolgten rechtliche und politische Abklärungen. Auf Grund des Umfanges – nach militärischer Begrifflichkeit wurde eine verstärkte Feldambulanz mobil gemacht – stand die Einbindung einer Apotheke von vornherein fest. Militärapotheker waren in die Planungen maßgeblich eingebunden und erstmals seit 30 Jahren (1961 Sanitätskontingent im KONGO) stand wieder ein Apotheker im Auslandseinsatz. Eine besondere Herausforderung stellte die Festlegung absoluter Mengen dar. Man hatte zwar Vorgaben hinsichtlich des Bedarfs für beispielsweise 100 Kinder mit akuter Diarrhö, aber niemand konnte vorhersagen, wie viele derartige Behandlungsfälle uns tatsächlich erwarteten. Allein die zusätzlich zum vorhandenen Bestand beschafften MVR (Medikamente, Verbandstoffe, Reagenzien) stellten einen Wert von 6 Millionen Schilling (430.000 EURO) dar. Da das ÖBH über keine eigenen Großraumflugzeuge verfügte, wurden Chartermaschinen des Typs Iljuschin und Antonow angemietet. Insgesamt flogen diese etwa 600 Tonnen in den Nordwest-Iran. Zwei OP-Container wurden auf dem Landweg mittels LKW antransportiert

AUFBAU UND ORGANISATION

In unerschlossenem Berggebiet auf etwa 1600 m Seehöhe errichtete und betrieb das österreichische Kontingent ein Feldspital für 50.000 Flüchtlinge. Bereits am 7. Mai 1991 konnte der erste Ambulanzdienst und am 15. Mai 1991 der Normalbetrieb aufgenommen werden. Im Bereich der Führung und Versorgung standen rund 110 Mann (Soldaten) und im medizinischen Bereich rund 180 Personen (Soldaten sowie weibliche und männliche Zivilpersonen) im Einsatz. Diese in einem militärisch geführten Einsatz einmalige Personalzusammensetzung brachte einerseits manche kommunikative Unstimmigkeit hervor, erwies sich andererseits als wertvoller Probelauf für die Integration von Frauen in den Militärdienst.

Die beiden Untereinheiten umfassten folgende Gruppierungen:

FÜHRUNG/VERSORGUNG   MEDIZINISCHER BEREICH
– Kommandogruppe – Ärztliche Leitung
– Dolmetschertrupp – Apothekertrupp
– Dokumentationstrupp – Tages- und Nachtambulanz
– Fernmeldegruppe – Patiententransportgruppe
– Wach- und Sicherungsgruppe – Kinderstation
– Versorgungsgruppe – Geburtsstation
– Küche – Infektionsstation
– Reparaturgruppe – Operationsgruppe
– Wasserversorgungsgruppe – Laborgruppe
– Pioniergruppe – Versorgungsgruppe/Dienste

APOTHEKE IM FELD – IMPROVISATION ALS PRINZIP

Die Feldapotheke stand während der gesamten Einsatzzeit unter dem Kommando von Oberstleutnantapotheker Mag. Johann KUHN (Anmerkung: langjähriges Mitglied des PharmMKB)  und bewirtschaftete MVR im Umfang von rund 550 Positionen. Das Apothekenpersonal setzte sich aus dem Apothekenleiter, zeitweise einer zivilen Apothekerin, zwei Sanitätsunteroffizieren und durchschnittlich 5 weiblichen Zivilpersonen zusammen. Die Lagerung der Einzelpackungen und Kleingebinde erfolgte auf improvisierten Regalen aus vorgefundenen Krankentragen, größere Teile wurden auf Holzpaletten und in Stapeln gelagert. Zum Schutz gegen Witterungseinflüsse standen drei Großraumzelte zu je 50m2 sowie 8 kleinere Zelte zu je 10m2 zur Verfügung. Kühlkapazität wurde durch vier Medikamentenkühlschränke dargestellt. Die Tätigkeit umfasste Materialbewirtschaftung wie Lagerstandführung (ohne Computer, mittels Karteikarten), Anforderung auf dem Nachschubweg, Beschaffungen vor Ort sowie – unter den gegebenen erschwerten Bedingungen besonders bedeutsam – Beratung mit den Ärzten über Alternativpräparate, Mitwirkung an Impfaktionen und Desinfektionsmaßnahmen.

KONTAKTE ZU LOKALEN INSTITUTIONEN

In den ersten zwei Wochen konnte der Bedarf durch die aus Österreich angelieferten Bestände abgedeckt werden. Ab diesem Zeitpunkt wurden Beschaffungen im Einsatzraum getätigt. Bis auf wenige Ausnahmen (Dermatom und Meshgerät für eine Hauttransplantation) fanden sich in etwa 20 Apotheken und sonstigen Einrichtungen der in 50 km Entfernung gelegenen Provinzhauptstadt ORUMIYEH ausreichend Quellen für Neu- bzw. Nachbeschaffungen von speziellem Nahtmaterial und Kortisonsalben bis zu Transformatoren und Sauerstoff. Handwerker und Händler waren sehr bemüht und kreativ um unsere Bedürfnisse – ab und an auf niedrigem Niveau – zu befriedigen; Schmuggelware spielte (vermutlich) eine gewisse Rolle. Der örtliche Rote Halbmond unterstützte uns mit nützlichen Informationen, „organisierte“ beispielsweise eine Sonderration Dieseltreibstoff und stellte Blutkonserven zur Verfügung. Im Gegenzug fand eine Blutspendeaktion statt. Besprechungen mit der Provinzregierung offenbarten regelmäßig beträchtliche Auffassungsunterschiede in Bezug auf die Flüchtlinge wie auch unsere persönlichen Freiheiten.

ZUSAMMENFASSUNG UND ENDE

Während der drei Monate im Einsatz unweit des Dorfes DOKANA NASR leisteten insgesamt knapp 1.000 Österreicher und Österreicherinnen ihren Beitrag zu 2.600 Behandlungen, 500 operativen Eingriffen, 600 Zahnbehandlungen, 800 Röntgen-, 900 Ultraschalldiagnosen, 3.300 Laboruntersuchungen (Blut, Harn, Mikrobiologie, Wasserhygiene) und 300 Geburten. Nach Entschluss der politischen Autoritäten endete unser Einsatz mit Juli 1991; das Flüchtlingslager wurde in Windeseile geräumt und die eben erst Geflohenen in den IRAK zurückbefördert.

PRIVATE FOTOIMPRESSIONEN VON OBSTLTAPOTH. MAG. KUHN VOM EINSATZ IN KURDISTAN 1991

Erste Versorgungsgüter treffen ein. Im Hintergrund die Berge, welche die Grenze zum IRAK und zur TÜRKEI bilden. Im Mittelgrund links das Gelände der Flüchtlinge und rechts Zelte der iranischen Armee, deren Soldaten alles aufmerksam bewachten.

Lagerung auf improvisierten Regalen (Krankentragen) in einem Großraumzelt.

Materialausgabe an der feldmäßigen Tara

Der Apothekentrupp nach der zweiten Personalrotation (3. v.l.:  OberstleutnantApotheker Mag. Johann KUHN)

Stationär aufgenommene Kinder mit Müttern in einem doppelwandigen DRASH-Zelt (maschinelle Belüftungsmöglichkeit durch die links an der Wand verlaufenden Schläuche)

Der vierjährige Feisala, unser „berühmtester“ Patient, wird nach einer Verbrühung mit Spalthaut versorgt; die Operation dauerte 8 Stunden

Unterwegs ins Lager

Befehlsausgabe für neu Angekommene nach der ersten Personalrotation

Eine private Apotheke in der Provinzhauptstadt UROUMIYEH (Fotografieren war – wie beinahe alles – verboten, daher die schlechte Bildqualität)

OberstleutnantApoth. Mag. KUHN zu Gast bei einem Stoffhändler im Basar.

Copyrigt Text und Fotos: Mag. Kuhn